Medienmitteilung vom 6.2.2015 von BirdLife Schweiz, zusammen mit Paneco, Stiftung Tier im Recht (TIR)
Seit einigen Jahren geht es den Wanderfalken in der Schweiz wieder besser. Nach dem Zusammenbruch der Brutbestände vor drei bis vier Jahrzehnten sind nun wieder mehr Brutplätze dieser geschützten und potenziell gefährdeten Vogelart besetzt. Ob das so bleibt, ist unsicher. Denn Meldungen von vergifteten Wanderfalken sowie Verdachtsmomente auf illegale Handlungen häufen sich.
An mehreren Orten der Schweiz haben noch unbekannte Täterschaften mehrfach Wanderfalken vergiftet. Die Greifvögel sind geschützt, und vorsätzliche Vergiftungen entsprechen einem Offizialdelikt, das von Amtes wegen geahndet werden muss. Inzwischen sind die Polizei und eine von BirdLife Schweiz koordinierte Arbeitsgruppe der Täterschaft auf der Spur. Zu Verurteilungen ist es jedoch noch nicht gekommen. Seit mehreren Jahren läuft ein eigentlicher Krimi um die grausamen Taten.
Vergiftete Tauben, um Falken zu töten
Schon ab 2009 zeigte sich, dass mehrere Brutplätze von Wanderfalken an verschiedenen Orten der Schweiz scheinbar grundlos verwaist blieben. Ein erster Beweis für eine Vergiftung erfolgte am 9. Mai 2011, als ein Wanderfalken-Weibchen an seinem Brutplatz an einem Hochkamin in Zürich vor laufender Webcam qualvoll verendete. Die drei noch schneeweissen Jungen kamen sofort aus dem Brutkasten, und auch das Männchen flog an den Brutplatz. Helfen konnten sie nicht mehr. Analysen zeigten, dass der Vogel an einem Nervengift gestorben war. Eine Taube, die vom Wanderfalken gerupft worden war, war mit dem Gift präpariert worden.
Nach diesem Vorfall, der viele Naturfreunde schockierte, begann eine von BirdLife Schweiz koordinierte Arbeitsgruppe zu recherchieren. Bald stiess sie auf weitere Vergiftungsfälle: Bereits 2009 waren zwei weitere tote Wanderfalken in Zürich gefunden worden, die vermutlich vergiftet worden waren. Tote Falken, die Tauben gerupft hatten, wurden auch bei einem Rupfplatz an einem Kamin ebenfalls in Zürich entdeckt.
Verdächtiger Blog
Kommissar Zufall war im Spiel, als die Arbeitsgruppe von Vogelschützern aus Serbien kontaktiert wurde, weil diese auf Internet-Blogs von serbischen Taubenzüchtern, die in der Schweiz leben, auf sehr Verdächtiges gestossen waren: Die Blogger berichteten in ihren Einträgen wiederholt vom Einsatz von sogenannten Kamikaze-Tauben, welche mit Gift präpariert waren. Die Einträge, die zuerst übersetzt werden mussten, lauteten zum Beispiel so: «11. April: Die ersten Kamikazen sind geflogen und haben offensichtlich einen Falken zu Boden gebracht. 12. April: Zweiter Flug eines Weibchens und wieder jagt sie. Morgen wieder Kamikazen und Krieg bis zur Ausrottung.»
Der Grund für diese unhaltbaren Delikte liegt wohl darin, dass die Wanderfalken manchmal auch Zuchttauben schlagen. Die Greifvögel ernähren sich von Vögeln, die sie im Flug erbeuten.
Anzeige gegen Unbekannt
Auf Grund der Recherchen der Arbeitsgruppe erstattete BirdLife Schweiz im Herbst 2013 Anzeige gegen Unbekannt im Kanton Zürich. Gleichzeitig reichte die Stiftung für das Tier im Recht im Kanton St. Gallen eine Strafanzeige gegen einen der Blogger ein. Umfangreiche Ermittlungen durch die Polizei führten anscheinend zu dringendem Tatverdacht, doch kam es bisher zu keinen Verurteilungen.
Der Brutplatz am Hochkamin, wo das Wanderfalken-Weibchen vor vier Jahren starb, blieb seither verwaist, wie auch mehrere andere langjährige Brutplätze in anderen Gegenden der Schweiz. Und die Täterschaft schlug erneut zu: Ein vergiftetes Wanderfalken-Männchen wurde am 4. März 2014 an einem anderen Hochkamin in Zürich gefunden. Zwischen 2011 und 2014 gab es zudem Wanderfalken-Vergiftungen in Bregenz (A), Kassel (D), Freudenstadt (D) und im Siegerland (D).
Vergiftungen müssen sofort aufhören
Diesen Vorfrühling nun hat sich erneut ein Wanderfalkenpaar auf dem Hochkamin in Zürich eingerichtet. BirdLife Schweiz und die anderen Beteiligten (Stiftung Paneco, Schweizerische Vogelwarte, Stiftung Tier im Recht) wollen alles daran setzen, dass es erfolgreich zur Brut schreiten kann.
Auch wenn für BirdLife Schweiz und die anderen Organisationen die Bestrafung der Täter nicht im Vordergrund steht, ist klar: „Das grausame Vergiften von Wanderfalken muss sofort aufhören“, sagt Werner Müller von BirdLife Schweiz und Koordinator der Arbeitsgruppe. BirdLife Schweiz ruft daher alle auf, wachsam zu sein und Vorfälle oder einen Verdacht umgehend der Polizei unter Tel. 117 zu melden. Die Polizei ist verpflichtet, sofort Ermittlungen aufzunehmen und hat im Bereich Tier und Umwelt in allen Kantonen besonders geschulte Fachpersonen.
Besondere Aufmerksamkeit ist nötig, wenn langjährige Brutplätze plötzlich verwaist sind. Wer einen toten Wanderfalken in der Nähe einer toten Taube findet, sollte die Polizei informieren. Die Vögel sollen liegengelassen und nur in dringenden Fällen mit einem sauberen Plastiksack aufgegriffen werden. Dies einerseits zur Spurensicherung, aber auch deshalb, weil das Nervengift für Menschen, insbesondere für Kinder, sehr gefährlich sein kann.
BirdLife Schweiz und die von ihm koordinierte Arbeitsgruppe, der unter anderem die Stiftung Paneco, die Schweizerische Vogelwarte Sempach und die Stiftung für das Tier im Recht angehören, hofft, dass diejenigen, die für die Gräueltaten verantwortlich sind, Vernunft annehmen und ab sofort auf illegale Aktionen verzichten. Überführte Täter müssten mit hohen Geld- und/oder Freiheitsstrafen rechnen.
BirdLife Schweiz vereint als nationaler Dachverband über 63‘000 Mitglieder, 2 Landesorganisationen, 19 Kantonalverbände und 450 lokale Sektionen. BirdLife Schweiz setzt sich ein für die Biodiversität in Wald, Kulturland und Siedlungsraum. Seine Mitgliedorganisationen betreuen 1200 Schutzgebiete in der Schweiz. BirdLife Schweiz engagiert sich in Artenförderungsprogrammen und betreibt die beiden Naturzentren La Sauge am Neuenburgersee (VD) und Neeracherried im Kanton Zürich. www.birdlife.ch Weitere Mitglieder der Arbeitsgruppe gegen Wanderfalkenvergiftung sind: Die Stiftung Paneco, eine gemeinnützige Stiftung für Natur- und Artenschutz sowie Umweltbildung in der Schweiz und Indonesien. Die von der Stiftung betriebene Greifvogelstation in Berg am Irchel/ZH ist mit fast 60 Jahren Erfahrung das Kompetenzzentrum für Greifvogel- und Eulenpflege in der Schweiz. Die Schweizerische Vogelwarte Sempach ist das Fachinstitut für Vogelkunde und Vogelschutz in Sempach. Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) macht sich für tiergerechte Gesetze und ihren konsequenten Vollzug stark. |
Weitere Informationen
- Details zu den bisherigen Recherchen lesen Sie in Ornis 1/15: PDF 440 kb
- Tod vor laufender Kamera: Die ganze Bildsequenz der Webcam finden Sie auf dem SVS-Youtube-Kanal: www.youtube.com/user/SchweizerVogelschutz
Weitere Auskünfte
BirdLife Schweiz, Zürich, Tel. 044 457 70 20
Bild
Wanderfalken sind in der Schweiz selten und streng geschützt. Foto: Mathias Schäf Das Bild darf nur in Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden! |