Gemeinsam für die Schweizer Kiebitze

Medienmitteilung von BirdLife Schweiz vom 5. April 2017                                        

BirdLife Schweiz und rund 70 Aktive erforschen und fördern den gefährdeten Kiebitz

Die Kiebitze sind zurück und haben ihre eindrückliche Balz begonnen. Rund 70 Ornithologinnen und Ornithologen – die meisten von ihnen Ehrenamtliche – beobachten und zählen die Kiebitze in der Schweiz. Dadurch entsteht eine gute Übersicht über den Schweizer Brutbestand. Einst ein verbreiteter Brutvogel, blieben in der Schweiz vor einigen Jahren weniger als 100 Kiebitzpaare übrig. In den letzten Jahren hat sich der Bestand wieder etwas erholt. BirdLife Schweiz arbeitet zusammen mit Partnern in sieben Projektgebieten in der ganzen Schweiz für den Kiebitzschutz.

Ein Flugakrobat ist bedroht

Herr Kiebitz versucht in diesen Tagen, seine Angebetete mit sogenannten Imponierflügen zu beeindrucken. Das Männchen stürzt sich aus 10 bis 15 Metern Höhe senkrecht nach unten und macht dabei ein bis zwei Rollen. Erst knapp über dem Boden fängt es sich wieder auf und fliegt mit rauschenden Flügelschlägen weiter, wobei es durch Schaukeln abwechselnd seine weisse Unter- oder seine schwarze Oberseite präsentiert. Oft folgt ein vertikaler Steigflug und die Show beginnt wieder von vorne.

Von 1970 bis 1980 brüteten wohl zwischen 700 und gut 1000 Kiebitzpaare in der Schweiz, vor 12 bis 15 Jahren verblieben weniger als 100. Die Industrialisierung der Landwirtschaft stellt die Kiebitze vor grosse Probleme. "Kleine Kiebitze flüchten nicht bei Gefahr, sondern sie verlassen sich auf ihre Tarnung und drücken sich an den Boden. So werden sie von landwirtschaftlichen Maschinen erfasst", erklärt Raffael Ayé, Leiter Artenförderung bei BirdLife Schweiz. Füchse und andere Beutegreifer fressen weitere Jungvögel.

Die Schutzmassnahmen wirken

Im Auftrag von BirdLife Schweiz und der Orniplan AG zählen seit 2010 ehrenamtliche Ornithologinnen und Ornithologen die Kiebitze an all deren Brutplätzen in der Schweiz. Partner wie die Stiftung Frauenwinkel und die Schweizerische Vogelwarte Sempach stellen die Daten aus ihren Projekten und Meldeplattformen ebenfalls zur Verfügung.

Die wild umherfliegenden Kiebitze zu zählen braucht etwas Übung. Richtig schwierig wird es später im Jahr: “Eine echte Herausforderung ist es, die kleinen Jungvögel in den wachsenden Kulturen zu entdecken”, sagt Michael Straubhaar, ehrenamtlicher Mitarbeiter im Gebiet Rubigen BE. Mindestens sieben Beobachtungsrundgänge zwischen März und Juni sind deshalb notwendig, um eine Schätzung des Bestands und des Bruterfolgs vornehmen zu können. Für Claudio Lotti, ehrenamtlicher Mitarbeiter im Kanton Zürich, lohnt sich dieser Aufwand: "Wenn ich hautnah miterleben darf, wie eine neue Generation Kiebitzküken flügge werden, dann ist der grosse Aufwand rasch vergessen". Gleichzeitig werden in jedem Gebiet die getroffenen Schutzmassnahmen dokumentiert. So ist erstmals eine detaillierte Übersicht über die Kiebitz-Schutzmassnahmen aller aktiven Partner entstanden.

Die erhobenen Daten zeigen eine Erholung der Kiebitzbestände in den letzten Jahren. Von 2007 bis 2009 brüteten durchschnittlich 97 Paare in der Schweiz. In den letzten drei Jahren waren es im Durchschnitt 167 Brutpaare, also eine Zunahme um etwa 70%. Trotzdem bleibt der Bestand klein und verletzlich.

Nicht alle Brutpaare können zudem erfolgreich Jungvögel aufziehen: 2016 waren 26 Brutplätze besetzt, aber nur an 12 Brutplätzen konnten flügge Jungvögel nachgewiesen werden. Auch von Jahr zu Jahr schwankt der Bruterfolg stark: In den letzten drei Jahren (2014-2016) zählten die Mitarbeitenden 88, 150 bzw. 89 flügge Jungvögel. Die Beobachtungen bestätigten, dass die Schutzmassnahmen den Kiebitzen helfen: An Brutplätzen, die mit einem Elektrozaun vor Beutegreifern geschützt und an denen die landwirtschaftlichen Bearbeitungsschritte begleitet wurden, war der Bruterfolg deutlich höher: Immerhin 0.75 Jungvögel wurden dort im Durchschnitt pro Jahr und Brutpaar flügge – siebenmal mehr als in Gebieten ohne Schutzmassnahmen.

Bessere Übersicht motiviert zu neuen Schutzprojekten

Die bessere Übersicht durch das Monitoringprojekt war nützlich, um ergänzende Schutzprojekte zu starten. So startete BirdLife Zürich 2011 mit Unterstützung von BirdLife Schweiz und weiteren Partnern ein Kiebitzprojekt bei Gossau ZH. "Die schweizweite Bedeutung unseres Projekts zu sehen, war für uns sehr wichtig", sagt Mathias Villiger von BirdLife Zürich.

Im Jahr 2012 gründeten BirdLife Schweiz und die Schweizerische Vogelwarte Sempach die Arbeitsgruppe Kiebitz Schweiz, die den Schutz der Kiebitze und den Austausch zwischen den Kiebitzschützern weiter fördert. Das Bundesamt für Umwelt BAFU unterstützt das Monitoring und die Arbeitsgruppe Kiebitz Schweiz finanziell. BirdLife Schweiz ist in unterschiedlichen Rollen an Schutzprojekten an sieben Brutorten in der Schweiz beteiligt.

Und so beobachten rund 70 Augenpaare auch in diesem Jahr gespannt, ob der Kiebitzbestand etwas höher ausfällt als 2016 - und ob die Kiebitzeltern erfolgreich Junge aufziehen.
 


Projekte für den Kiebitz in verschiedenen Regionen

Schutzprojekt für den Kiebitz im Seeland

BirdLife Schweiz, der Berner Vogelschutz BVS, die Berner Ala, die IBA-Gruppe Grosses Moos, die Stiftung Biotopverbund Grosses Moos sowie die Natur- und Vogelschutzvereine von Biel, Kerzers, Laupen, Münchenbuchsee und Umgebung sowie Wohlen führen im Grossen Moos ein Projekt zugunsten des Kiebitzes und weiterer gefährdeter Vogelarten durch.

Die Projektmitarbeiter beobachten jährlich im Frühling die Ansiedlung der Kiebitze, um die betroffenen Parzellen mit einem Elektrozaun schützen zu können. Diese Massnahme wurde von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach im Wauwilermoos LU entwickelt. Mit weiteren Massnahmen wie extensiven Wiesen, gestaffelter Mahd, Säumen auf Ackerland und anderen ökologisch wertvollen Elementen soll das Nahrungsangebot verbessert werden, also das Angebot an Wirbellosen. Kleingewässer werden gepflegt, damit sie nicht verbuschen und für seltene Arten wie den Kiebitz weiterhin geeigneten Lebensraum bieten.

Das Projekt wird von den Kantonen Bern und Fribourg, vom Fonds Landschaft Schweiz FLS, BKW Ökofonds, Stotzer-Kästli-Stiftung, liechtensteinischen Stiftung, Stiftung Nakuso und Jubiläumsstiftung Jutzler grosszügig unterstützt.

 

Kiebitzschutz bei Gossau ZH

Seit 2011 führt BirdLife Zürich mit der Orniplan AG, BirdLife Schweiz und dem Naturschutzverein Gossau und Umgebung ein Kiebitzprojekt in Gossau durch. Finanziert wird das Projekt von der Fachstelle Naturschutz des Kantons Zürich.

Ab Anfang März ist das Beobachterteam auf der Pirsch. Die Nester werden auf einer Karte festgehalten. Dann kontaktiert die Gemeinde Gossau den Bewirtschafter. Ist er mit Schutzmassnahmen einverstanden, markiert und umzäunt das Zaunteam die Gelege und die Nahrungsflächen.

Die Gossauer Kiebitze zeigen bisher eine erstaunliche Standorttreue: Zwischen 2010 und 2014 brüteten jährlich 5 bis 7 Kiebitzpaare in der Gossauer Ebene – fast alle auf demselben Acker. Zwischen 3 und 7 flügge Jungvögel konnten pro Jahr nachgewiesen werden. Die Nachwuchsleistung war 2013 bis 2015 höher als für den Erhalt der Population nötig wäre. Dieser erfreuliche Trend wurde 2016 leider jäh gebrochen: Erstmals wurden keine Jungvögel flügge. BirdLife Zürich wird mithilfe der freiwilligen Mitarbeitenden in den nächsten Jahren alles daran setzen, den Gossauer Kiebitzen wieder zu mehr Erfolg zu verhelfen.

 

Die Kiebitze im Frauenwinkel und im Nuoler Ried

Das sich heuer zum fünften Mal jährende Projekt ist sehr facettenreich. Die Kiebitze brüten im Naturschutzgebiet sowie auch in Landwirtschaftsflächen in einem Naherholungsgebiet mit angrenzendem Flugplatz. Die unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen von Ried über Extensivwiesen, Buntbrachen, Schwarzbrachen bis hin zu Intensivwiesen, Gersten- und Maisfeldern erfordern eine intensive Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft. Insgesamt sind über 20 verschiedene Landwirte ins Projekt involviert, was die Koordination sehr aufwändig gestaltet. Beispielsweise wird eine Intensivwiese bis zu vier Mal pro Brutsaison geschnitten. Jeder Bearbeitungsschritt wie Mähen, Wenden, Schwarben, Einnehmen und das nachfolgende Düngen muss begleitet werden.

Der Einsatz zeigt Erfolg: Seit Projektstart hat sich die Anzahl der flügge gewordenen Jungvögel kontinuierlich erhöht. Durchgeführt wird dieses Projekt von der Stiftung Frauenwinkel in Zusammenarbeit mit BirdLife Schweiz und dem kantonalen Amt für Natur Jagd und Fischerei Schwyz.

 

Rückkehr der Kiebitze ins Aaretal bei Rubigen

Der Natur- und Vogelschutzverein Münsingen fördert hier die Kiebitze in Zusammenarbeit mit BirdLife Schweiz. 2016 siedelten vier Brutpaare von einer Renaturierungsfläche auf einen Acker um. Es wurde ein Elektrozaun zum Schutz der Kiebitze aufgestellt und für die Saison 2017 eine kleine Kiebitzbrache eingesät. Im Schutz des Zauns zogen die Kiebitze erfolgreich 6 Junge auf. Die Freude und Unterstützung des Landwirten, auf dessen Acker die Vögel brüten, ist sehr gross.

Das Projekt wird von der Bank SLM, Landi Worb, Berner Vogelschutz BVS und privaten Stiftungen unterstützt.

 


Bilder

Ein Kiebitz-Männchen zeigt seinen spektakulären Balzflug.

© Michael Gerber

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BirdLife Schweiz ist in unterschiedlichen Rollen an Schutzprojekten an sieben Brutorten in der Schweiz beteiligt.

© Michael Gerber

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In den meisten Brutgebieten haben die jungen Kiebitze nur dank Schutzmassnahmen eine Chance, flügge zu werden.

© Michael Gerber

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Der Kiebitz ist dringend auf Hilfe angewiesen: Nur noch rund 170 Paare brüten in der Schweiz.

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Weitere Auskünfte erteilt Ihnen gerne:

Dr. Raffael Ayé, Leiter Artenförderung, BirdLife Schweiz, Tel. 044 457 70 28, raffael.aye@birdlife.ch