Die Natur hat keine eigene Stimme vor Gericht. Deshalb haben die Verfasser des ersten eidgenössischen Natur- und Heimatschutzgesetzes bereits vor über fünfzig Jahren das Verbandsbeschwerderecht eingeführt. Bis heute ist es ein wirksames Mittel für den Naturschutz geblieben. BirdLife Schweiz setzt es sehr zurückhaltend ein. Aber überall dort, wo die Natur durch einen Behördenentscheid gefährdet ist, der mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht rechtmässig ist, werden wir aktiv. Hier ein Blick auf die wichtigsten Rechtsfälle des Jahres 2018.
■ Es ist geplant, die ganze Ruinaulta GR, die eindrückliche Schlucht am Vorderrhein bei Versam, für Besuchende zu erschliessen. Bisher war nur ein Teil auf einem Weg zugänglich. Dort, wo der gefährdete Flussuferläufer brütet, soll nun auch noch ein Weg gebaut werden. Da mit einem grossen Besucheraufkommen zu rechnen ist, sind seine Brutplätze gefährdet. Das Bundesgericht muss nun entscheiden, ob in der Aue von nationaler Bedeutung der Schutz der Auenarten oder ein grosser Erholungsbetrieb vorgeht. Fragen zu überbordendem Erholungsbetrieb stellen sich auch am Creux du Van NE/VD, wo eine ungenügende Schutzverordnung erlassen wurde.
■ Die Moore und Moorlandschaften sind gemäss Verfassung klar geschützt. Trotzdem will der Kanton Schwyz in der Moorlandschaft Nr. 1 von Rothenthurm einen Modellflugplatz zulassen. BirdLife Schweiz, der Modellflugverband und weitere Organisationen haben sich darauf geeinigt, dass ein Abstand von 500 Metern zu den Moorlandschaften einzuhalten ist. Dass das ausgerechnet in Rothenthurm nicht gelten soll, ist unhaltbar. Deshalb lässt BirdLife Schweiz die Bewilligung für einen Modellflugbetrieb am Bundesgericht überprüfen.
Am Fanel BE konnte für den Campingplatz, für den die Bewilligungen abgelaufen sind, eine gute Lösung gefunden werden: Er wird Ende 2024 zurückgebaut. Das gibt den Campern Zeit, andere Möglichkeiten zu finden. Die Berner Regierung wollte den Camping für weitere 35 Jahre bewilligen. Damit die Lösung möglich wurde, war ein Verfahren von BirdLife Schweiz und anderen Naturschutzorganisationen gegen den Regierungsentscheid vor Verwaltungsgericht nötig.
■ Windanlagen beschäftigen BirdLife Schweiz sehr stark. Während in Frankreich heute die meisten Windpärke ausserhalb der Naturgebiete gebaut werden, plant man in der Schweiz immer mehr Projekte in den natürlichsten Lebensräumen.
Der Fall Grenchenberg SO liegt unterdessen beim Bundesgericht, weil aus Sicht von BirdLife Schweiz und dem VVS/BirdLife Solothurn dieser Windpark im naturnahen Lebensraum der ersten Jurakette nicht bewilligungsfähig ist. Direkt nebenan in Monthoz BE wird im Lebensraum von Heidelerche und Waldschnepfe ein weiterer Windpark geplant. Hier läuft das Einspracheverfahren.
In der Westschweiz sind überdies mehrere Windanlagen in den besten verbliebenen Auerhuhngebieten geplant. Das Secretariat BirdLife Suisse Romande ist deshalb stark gefordert. In der Vallée de Joux VD käme der Windpark in die Nähe eines der besten Auerhuhngebiete zu stehen. Die verlangte Rodungsbewilligung ist nun beim Verwaltungsgericht.
Für den Windpark Mollendruz VD, der ebenfalls Lebensräume des Auerhuhns, aber auch der Waldschnepfe und der Heidelerche zerstören würde, hatte Anfang 2018 eine der Gemeinden die Bewilligung verweigert. Prompt wurde einige Wochen später nochmals eine Abstimmung angesetzt, die nun – nach einer grossen Propagandaoffensive – für den Windpark ausging. Momentan läuft das Einspracheverfahren.
Lebensräume von Schneehuhn und Bartgeier sind in Bourg-St. Pierre VS gefährdet, in Bel Coster VD jene der Waldschnepfe. In Ste-Croix VD käme der Windpark in prioritäre Auerhuhngebiete zu liegen.
■ Ein weiteres Feld, wo BirdLife Schweiz der Natur vor Gericht eine Stimme gibt, sind die Gewässer, zum Beispiel bei der Erneuerung der Konzession des Kraftwerks Klingnauer Stausee. Hier haben BirdLife Aargau, BirdLife Schweiz und weitere Naturschutzorganisationen darauf bestanden, dass die nötigen Ersatzmassnahmen erfolgen. Ein grosses Projekt an Gewässern ist jenes an der Sarneraa OW. BirdLife Schweiz versucht, zusammen mit Aqua Viva und anderen Verbänden eine gute Lösung für die Neugestaltungen im Alpnacherried zu erreichen.
Überall hier und in mehreren weiteren Fällen muss BirdLife Schweiz dranbleiben, um dem Naturschutzrecht zum Durchbruch zu verhelfen.
Bild: © Fabian Fopp