Am 13. November verabschiedeten rund 200 Staaten in Glasgow eine Abschlusserklärung zur 26. Konferenz der Vertragsstaaten zur UN-Klimarahmenkonvention (kurz «Klimagipfel»). Einige feierten diese Erklärung als historischen Durchbruch, andere sind masslos enttäuscht. In Glasgow wurden zwar viele Versprechen zusammengetragen, aber diese Versprechen reichen nicht aus, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken. Und noch viel wichtiger: Es sind bisher nur Versprechen – ob sie eingehalten werden, ist sehr unsicher. Es ist unverständlich, angesichts dieser Faktenlage von einem historischen Durchbruch zu sprechen, wie das einige Politikerinnen und Politiker getan haben.
Die Herausforderung Klimawandel für die Menschheit bleibt unvermindert bestehen. Und die Biodiversitätskrise kommt noch dazu. Es sind zwei existenzielle Krisen. Und es ist erschreckend, dass bisher eine Mehrheit der Politikerinnen und Politiker diese Zwillingskrisen schlicht nicht genügend ernst nimmt. Für Ende April 2022 ist im chinesischen Kunming die 15. Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention geplant, nachdem im Oktober 2021 bereits ein erstes formelles Treffen stattgefunden hat. Die Biodiversitätskonvention ist bisher noch unverbindlicher geblieben als die Klimakonvention. Vor diesen Aussichten müssten sich alle Naturschützenden grauen. Die Frage stellt sich schon: Sind die internationalen Abkommen grundsätzlich gescheitert oder zum Scheitern verurteilt?
Es gibt sehr erfolgreiche Beispiele von internationalen Abkommen. Im Umweltbereich ist das Montreal-Protokoll das berühmteste. Im Jahr 1990 wurde ein Verbot von FCKW und weiteren ozonschädigenden Substanzen beschlossen und in der Folge nach definierten Phasen umgesetzt. Das Ozonloch hat sich seither stabilisiert, die Lage wird sich in den nächsten Jahrzehnten weiter verbessern. Die Regierungen hatten 1990 die dramatische Lage erkannt und gemässs den wissenschaftlichen Grundlagen gehandelt. Es gab damals auch Vorreiterstaaten, die FCKW in wichtigen Anwendungsbereichen bereits 12 Jahre früher verboten hatten, nämlich die USA und Schweden.
Die Klima- und die Biodiversitätskrise sind komplexer und noch dramatischer als das Problem des Ozonlochs. Daher ist es vielleicht nicht erstaunlich, dass die Lösung der Krisen schwieriger ist. Und es wird trotz aller Enttäuschung kein Weg an internationalen Abkommen vorbeiführen. Aber es braucht auch diesmal Vorreiter. Letzteres kann aktuell von der Schweiz in beiden Bereichen nicht behauptet werden. An der Klimakonferenz in Glasgow versteckte sie sich hinter bereits früher gegebenen Zusagen und einigen Vorschlägen zum Emissionshandel. In Bezug auf den Biodiversitätsschutz ist unser Land gar europäisches Schlusslicht. Zu sehr dominiert offenbar eine lähmende Angst vor Wohlstandsverlust. Dabei ist gerade diese lähmende Angst und diese Blockade die grösste Gefahr für unseren zukünftigen Wohlstand.
Natur- und Umweltschützende können es sich heute nicht erlauben, den Glauben an internationale Abkommen oder gar den Glauben an das Gute im Menschen zu verlieren. Wir müssen uns weiter für eine lebenswerte Erde einsetzen. Und vor allem müssen wir noch besser kommunizieren. Die Klimajugend lauter, etablierte NGOs etwas leiser, aber trotzdem deutlich, ökologische Unternehmen innovativer – jede und jeder auf ihre bzw. seine Weise.
Raffael Ayé, Geschäftsführer BirdLife Schweiz
November 2021