Runder Tisch Wasserkraft: Bund hat Biodiversitätskrise vergessen

Medienmitteilung von BirdLife Schweiz vom 13.12.2021

Die Menschheit steuert auf zwei grosse Krisen zu, die Klimakrise und die Biodiversitätskrise. Politik und Behörden in der Schweiz agieren, als ob sie das – insbesondere im Fall der Biodiversitätskrise – noch nicht realisiert hätten.

Am Runden Tisch Wasserkraft haben sich offenbar unterschiedliche Akteure auf Grundsätze und eine Liste potenzieller Projekte im Bereich der Speicherwasserkraft geeinigt. Als Ergebnis wird eine Nutzungsplanung mit flankierenden Massnahmen zur Reduktion der damit verbundenen Biodiversitätsschäden präsentiert. Die dringend nötige Schutzplanung hingegen fehlt.

Am Runden Tisch Wasserkraft, den Bundesrätin Sommaruga 2020 initiierte, haben sich offenbar Vertreterinnen und Vertreter der Wasserkraft, der Behörden und einiger NGOs auf Grundsätze beim Ausbau der (Speicher-)Wasserkraft und auf eine Liste potenzieller Projekte geeinigt. Im Hinblick auf den Klimawandel, die Energiewende und die Dekarbonisierung sind Fortschritte im Bereich der Energiespeicherung von hoher Bedeutung und der Runde Tisch zu begrüssen. Sein Ergebnis ist eine Nutzungsplanung zu Gunsten der Wasserkraft mit Massnahmen, um die unweigerlich damit verbundenen Beeinträchtigungen mehr oder weniger auszugleichen. Es fehlt jedoch eine adäquate, übergeordnete Schutzplanung für die Biodiversität in der Schweiz. Diese fehlte möglicherweise bereits im Mandat an den Runden Tisch.

Drei Typen von Massnahmen zugunsten der Biodiversität werden in der gemeinsamen Erklärung des Runden Tisches genannt: ökologische Ersatzmassnahmen, Sanierung Wasserkraft und ökologische Ausgleichsmassnahmen. Die beiden erstgenannten entsprechen schlicht den heutigen gesetzlichen Verpflichtungen. Ökologische Ausgleichsmassnahmen sind ebenfalls gesetzlich vorgegeben, es ist jedoch in der Erklärung des Runden Tisches in Aussicht gestellt, dass hier Ausgleichsmassnahmen über das gesetzliche Minimum hinaus umgesetzt werden sollen. Es steht jedoch explizit, dass diese erst später verhandelt werden. Und es gibt keinerlei weitergehende Angaben dazu. Dieser Aspekt bleibt also unverbindlich. BirdLife Schweiz wird aufmerksam verfolgen, ob diesen Versprechen auch Taten folgen.

Eine echte Schutz- und Nutzungsplanung hätte bedeutet, neben der Planung zusätzlicher Energieproduktion auch die dringend notwendigen Fortschritte im Bereich des Schutzes und der Förderung der Biodiversität anzugehen. Nötig ist eine Schutzplanung, welche nicht nur negative Einflüsse neuer Projekte minimiert und einmal mehr die schon lange gesetzlich vorgeschriebene Sanierung der Wasserkraft bestätigt. Zum Schutz und zur Förderung der Biodiversität sind deutlich mehr Flächen mit hoher Lebensraumqualität und biodiversitätsverträglicher Bewirtschaftung notwendig. Diese sind im Rahmen der Ökologischen Infrastruktur zu sichern.

Die jeweiligen internationalen Wissenschaftsräte für Klima und Biodiversität, IPCC und IPBES, warnen vor der Klima- und Biodiversitätskrise gleichermassen. Sie empfehlen in klaren Worten, die Zwillingskrisen gemeinsam anzugehen und die Synergien zu nutzen. Auch die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz macht in einem Faktenblatt klar, dass die Biodiversitätskrise und der Klimawandel nur zusammen angegangen werden können, nicht gegeneinander. Der Bundesrat hat in zahlreichen Berichten den schlechten Zustand der Biodiversität in der Schweiz anerkannt, aber bisher keine nennenswerten Taten folgen lassen. Davon zeugt z. B. die Tatsache, dass die Schweiz weitaus mehr Geld für Subventionen ausgibt, welche die Biodiversität schädigen, als für den Schutz und die Förderung der Biodiversität. Bisher stehen nicht einmal die nötigen Mittel zur Verfügung, um die in ihrem Naturwert gefährdeten nationalen Biotope zu sanieren. Dazu wären über zehn Jahre je 160 Millionen Franken nötig. Durch diese Inaktivität bürden wir zukünftigen Generationen enorme Folgekosten auf.

Die Nutzungsplanung im Rahmen des Runden Tisches Wasserkraft muss ein Anfang sein, dass Behörden und Politik die Biodiversitätskrise endlich angehen, z. B. durch Verbesserungen des ungenügenden Aktionsplans zur Erreichung der Ziele der Strategie Biodiversität Schweiz und durch den raschen Aufbau der Ökologischen Infrastruktur.
  


Weitere Auskünfte

Raffael Ayé, Geschäftsführer BirdLife Schweiz, Tel. 044 457 70 28, raffael.aye@birdlife.ch