Die Küsten Deutschlands, der Niederlande sowie von Teilen Grossbritanniens und Frankreichs werden in diesem Sommer von einem verheerenden Ausbruch der Hochpathogenen Aviären Influenza (HPAI) heimgesucht, auch bekannt unter dem Namen Vogelgrippe. Besonders stark betroffen ist neben Schottland die Wattenmeerregion. Dort wütet die Infektion vor allem in den Seeschwalben-Populationen – insbesondere jenen der Brandseeschwalbe. In Deutschland, in den Niederlanden und an der französischen Kanalküste sind nach Angaben von Artspezialisten die jeweils grössten Kolonien mit insgesamt rund 9000 Brutpaaren durch die Epidemie fast komplett ausgelöscht worden.
Allein in den Kolonien bei Calais, auf Texel und auf der Vogelinsel Minsener Oog bei Wilhelmshaven sammelten Ornithologen tausende tote adulte Brandseeschwalben ein. Gleichzeitig verhungerten tausende Jungvögel ohne die elterliche Versorgung.
Insgesamt gibt es im Nordseeraum weniger als ein Dutzend Brutkolonien. In Deutschland gilt die Brandseeschwalbe als vom Aussterben bedroht. Vogelschützer sehen wegen der geringen Fortpflanzungsrate der langlebigen Seevögel durch den Ausbruch nun die Gefahr, dass die Seeschwalbe im ganzen Wattenmeer zumindest zeitweise aussterben könnte. «Altvögel sind die wesentliche Stütze der Population – deswegen sehe ich das aktuelle Geschehen als schwerwiegende Gefährdung der hiesigen Population der Brandseeschwalbe», sagte der Leiter des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, Peter Südbeck, im Gespräch mit dem Online-Journal Flugbegleiter.
Dies ist in Europa der erste grosse Ausbruch der Vogelgrippe unter Wildvögeln zur Brutzeit. Bislang waren Ausbrüche auf die kalte Jahreszeit beschränkt. Schon 2021 hatte es in Nordeuropa aber Hinweise gegeben, dass das Virus vereinzelt bis in die Fortpflanzungszeit überdauerte.
5.8.2022 / Thomas Krumenacker