Trauerspiel Agrarpolitik: 8 Jahre Stillstand statt Wandel

Medienmitteilung von WWF Schweiz, BirdLife Schweiz, Pro Natura und Greenpeace Schweiz vom 13.12.2022

Die heute vom Ständerat verabschiedete Agrarpolitik wird den drängenden Herausforderungen bei Klima und Biodiversität in keiner Art und Weise gerecht.

  • Der Ständerat streicht Massnahmen zur Biodiversität und verhindert solche beim Klimaschutz. So sollen für die Landwirtschaft keine verbindlichen CO2-Ziele gesetzlich verankert werden, wie dies bei allen anderen Sektoren der Fall ist.
  • Der dringend benötigte Wandel im Ernährungssystem wird damit auf Eis gelegt. Die Kosten dafür tragen die Umwelt und die kommenden Generationen.
  • Fortschrittliche Bauern und Bäuerinnen sowie Konsument:innen werden durch diesen Entscheid im Stich gelassen.
      

Zitate:
 
Eva Wyss, Landwirtschaftsverantwortliche WWF Schweiz:
«Die Land- und Ernährungswirtschaft muss Support erhalten, damit sie die Treibhausgase reduzieren  kann. Dies verweigert ihr aber Politik und Verwaltung.»

Patrik Peyer, Projektleiter Landwirtschaft, BirdLife Schweiz:
«Die Arten und Lebensräume des Kulturlandes sind weiterhin stark gefährdet, viele Arten drohen auszusterben. Dieser Biodiversitätskrise müssen wir uns entschlossen entgegenstellen. Dafür vorgesehene Massnahmen und Anreize noch vor deren Einführung wieder abzuschwächen oder gar zu streichen, ist deshalb der komplett falsche Weg.»

Marcel Liner, Verantwortlicher Agrarpolitik, Pro Natura :
«Es ist sehr schade, dass die Strukturverbesserungsmassnahmen in der AP22+ vom Ständerat nicht weiter behandelt wurden. Die Vorschläge des Bundesrates gehen in die richtige Richtung, lösen aber die aktuellen Probleme bei weitem nicht.»

Alexandra Gavilano, Landwirtschaftsverantwortliche, Greenpeace:
«Die Politik muss endlich die Verantwortung wahrnehmen und die planetare Dringlichkeit ernst nehmen. Nur indem wir unser Ernährungssystems transformieren, hin zu einer standortangepassten Landwirtschaft und zu nachhaltigem Konsum können wir die Ernährungsgrundlagen zukünftig sichern und ein Zeichen für globale Ernährungsgerechtigkeit setzen.»
  


  
Angesichts der Klima-, Biodiversitäts- und Energiekrise muss die Schweiz ihr Landwirtschafts- und Ernährungssystem zwingend umgestalten. Nur so können die immensen Herausforderungen bewältigt und die Widerstandsfähigkeit des Systems erhöht werden. Die Landwirtschaft ist bereits heute der von diesen Krisen am stärksten betroffene Sektor. Denn die landwirtschaftliche Produktion ist abhängig von Bestäubern, fruchtbaren Böden, sauberem Wasser und einem stabilen Klima.

Die aktuelle Agrarpolitik – die immer noch stark auf intensive Produktion und flächenbezogene statt zielorientierte, Beiträge ausgerichtet ist – ist nicht in der Lage, Bauern und Bäuerinnen sowie Konsument:innen beim anstehenden Wandel zu unterstützen.

Statt die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, hat der Ständerat heute mit Zustimmung des Bundesrates eine Version der neuen Agrarpolitik AP22+ verabschiedet, in der die meisten Umwelt- und Klimamassnahmen gestrichen wurden. So sind keine gesetzlich verankerten Klimaziele und -Massnahmen für die Land- und Ernährungswirtschaft vorgesehen, keine Verschärfung bei der Gülleausbringung, keine Verpflichtung, die Tragfähigkeit der Ökosysteme zu respektieren, keine finanzielle Unterstützung für die Biodiversitätsberatung.

Diese Massnahmen hatte der Bundesrat ursprünglich in der AP22+ vorgesehen. Die Dringlichkeit zum Handeln hat sich in der Zwischenzeit sogar noch verschärft. Es ist völlig unverständlich und inkohärent, diese Massnahmen nun zu streichen.

Der Nationalrat muss Vorlage verbessern
Die nächste Agrarpolitik ist für 2030 geplant. Es sollen also acht wertvolle Jahre verloren gehen. Acht Jahre, in denen weiterhin biodiversitätsschädliche Subventionen ausbezahlt, keine Treibhausgasemissionen reduziert, Pestizide und Mineraldünger indirekt subventioniert und die Absatzförderung von Fleisch und anderen tierischen Produkten mit Steuergeldern bezahlt werden.

Der heutige Entscheid wird den Herausforderungen nicht gerecht. Die Umweltverbände rufen den Nationalrat dazu auf, sich an die Arbeit zu machen und eine Agrarpolitik vorzuschlagen, welche die Resilienz und Anpassungsfähigkeit des Sektors stärkt, Landwirte und Landwirtinnen sowie die Konsument:innen in ihrem Wandel unterstützt und die eigentliche Grundlage der Lebensmittelproduktion – die Natur – schützt.
  


Kontakte

  • WWF Schweiz: Eva Wyss, Projektleiterin Landwirtschaft, 079 352 09 47, eva.wyss@wwf.ch
  • Pro Natura: Marcel Liner, Verantwortlicher Agrarpolitik, 061 317 92 40, marcel.liner@pronatura.ch
  • BirdLife Schweiz: Patrik Peyer, Projektleiter Landwirtschaft, 079 810 04 80, patrik.peyer@birdlife.ch
  • Greenpeace: Alexandra Gavilano, Expertin für nachhaltige Ernährungssysteme, 044 447 41 38, alexandra.gavilano@greenpeace.org