Als der Bundesrat im vergangenen November den zweiten Aktionsplan Biodiversität verabschiedete, war die Kritik von BirdLife und anderen Naturschutzorganisationen harsch. Wir nannten den Aktionsplan einen Untätigkeitsplan. War das die sprichwörtliche Übertreibung, die den NGOs gerne vorgeworfen wird? Eine internationale Studie aller 22 bisher untersuchten nationalen Biodiversitäts-Strategien und Aktionspläne, der sogenannte «NBSAP Tracker», ermöglicht nun einen Vergleich aufgrund einheitlicher Kriterien.
Die Studie beruht auf 59 Indikatoren. Es wurde untersucht, inwieweit der jeweilige Aktionsplan geeignet ist, den Biodiversitätsverlust wirklich zu stoppen und umzukehren. Die Mittel, die zur Umsetzung des Aktionsplans zur Verfügung stehen, und die Integration in alle Politikbereiche wurden ebenfalls unter die Lupe genommen. Das sind alles Handlungsziele, zu deren Erreichung sich die Staaten mit dem Kunming-Montreal-Biodiversitätsrahmen verpflichtet haben, auch die Schweiz. Entwickelt wurde der NBSAP Tracker vom WWF International, und es sind die gleichen Fachleute, welche die Aktionspläne der Länder beurteilten. So wird ein möglichst objektiver Vergleich sichergestellt.
Der Schweizer Aktionsplan wird von den internationalen Experten als bisher schlechtester Aktionsplan überhaupt eingestuft: Keines der bis anhin untersuchten 22 Länder schneidet so schlecht ab wie die Schweiz. Bei der zentralen Frage, ob der Aktionsplan geeignet ist, den Biodiversitätsverlust zu stoppen, erreicht die Schweiz gerade einmal 25 %. Bisher liegt kein anderes Land unter 35 %; nur drei andere Länder bleiben unter 50 %. Japan und Frankreich liegen bei diesem Punkt bei über 80 %. Auch im Bereich Berichterstattung schneidet der Schweizer Aktionsplan von allen bisher verfügbaren Aktionsplänen am schlechtesten ab: Nur gerade 10 % erreicht er hier.
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«Keines der bis anhin untersuchten 22 Länder schneidet so schlecht ab wie die Schweiz»Raffael Ayé, Geschäftsführer BirdLife Schweiz |
Fehlende Indikatoren beim letzten Schweizer Aktionsplan erlaubten es der Bundesverwaltung, die harsche Kritik der externen Wirkungsanalyse schönzufärben. Es ist absolut unverständlich, dass die Resultate der Wirkungsanalyse weder zu einem besseren neuen Aktionsplan noch zu klareren Indikatoren geführt haben. Ohne Indikatoren wird es auch 2030 schwierig, die Wirkung des neuen Aktionsplans zu beurteilen.
Mehrere Entwicklungsländer wie Kuba, Jordanien oder Surinam schneiden viel besser ab als die Schweiz, ja sogar eines der ärmsten Länder der Welt, Afghanistan. Und es kommt noch dicker: Afghanistan schneidet bei keinem der elf aggregierten Indikatoren des NBSAP Trackers schlechter ab als die Schweiz. Das ist nicht als Kompliment an die herrschenden Taliban zu verstehen. Es stellt auch nicht sicher, dass in Afghanistan bis 2030 mehr Massnahmen zugunsten der Biodiversität umgesetzt werden. Es zeigt jedoch, welche Peinlichkeit das UVEK und der Bundesrat mit diesem Aktionsplan abgeliefert haben – notabene nachdem sie den Aktionsplan in Parlament und Öffentlichkeit immer wieder als wichtiges Element für den Erhalt der Biodiversität in der Schweiz angekündigt hatten. Dabei geht es um den Wohlstand unseres Landes und künftiger Generationen, denn die Biodiversität ist nichts weniger als unsere Lebensgrundlage.
Der Geschäftsführer Dr. Raffael Ayé fasst hier die Haltung von BirdLife Schweiz zu politischen Fragen zusammen.