Medienmitteilung von BirdLife Schweiz vom 25.11.2021
Die Feldlerche lebt als Bewohnerin offener Agrarlandschaften seit Jahrhunderten eng mit dem Menschen zusammen. Seit einigen Jahrzehnten ist sie jedoch durch die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft stark bedroht. Als Stellvertreterin für viele weitere bedrohte Arten des Kulturlandes steht die einst häufige Art für eine dringend nötige Neuausrichtung der Agrarpolitik. Nun hat BirdLife Schweiz die Feldlerche zum Vogel des Jahres 2022 gewählt.
Der Vogel des Jahres 2022 mag klein und unscheinbar sein, doch er ist einer der besten und ausdauerndsten Sänger unserer Vogelwelt. Minutenlang flattert die Feldlerche im Frühling über den Feldern und Wiesen und beglückt uns mit ihrem fast pausenlosen Gesang. Mit den jubilierenden Strophen versuchen die Männchen ein Weibchen zu gewinnen. Schon Shakespeare wusste von den Gesangskünsten der Feldlerche und hat ihr in seinen Stücken ein Denkmal gesetzt: «Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang» heisst es in dem berühmten Werk von Romeo und Julia.
Schneller Brüter
Die Feldlerche brütet am Boden in Wiesen und Äckern. Bereits im April legen die ersten Weibchen 4 bis 5 Eier, die im Schnitt 12 Tage ausgebrütet werden. Die Jungen verlassen danach das Nest nach 7 bis 12 Tagen. Das ist Rekord und die kürzeste Nestlingszeit unter den hiesigen Singvögeln. Doch selbst diese Anpassung ans Kulturland reicht heute nicht mehr aus, um erfolgreich brüten zu können. Weder findet die Feldlerche einen sicheren Brutplatz noch ausreichend Insekten und Spinnentiere als Nahrung. Wiesen werden heute zu stark gedüngt und bis zu 7-mal pro Jahr gemäht, sodass nur noch wenige Blütenpflanzen und Insekten überleben können. Sie wachsen ausserdem so einheitlich dicht auf, dass zwischen den Pflanzenhalmen kein Platz für die Feldlerche bleibt. Infolgedessen ist die Feldlerche aus den Wiesen des Mittellands so gut wie verschwunden. Aber auch in den Alpen ist sie zunehmend bedroht. Lediglich in Gebieten mit einem hohen Anteil an ungedüngten, spät geschnittenen Wiesen in Form von Biodiversitätsförderflächen BFF oder Schutzgebieten kommt sie noch in Restbeständen vor.
Dramatische Lage
In den Äckern hat sich die Lage für den Meistersänger in den letzten Jahrzehnten ebenfalls dramatisch verschlechtert. Auch hier ist Nahrung rar; Pestizide machen den Insekten den Garaus, Ackerrandstreifen als Rückzugsräume und Ackerbegleitflora als Nahrungsquelle für Insekten sucht man vielerorts vergebens. Resultat: Auch in den letzten Bastionen nimmt die Art ab – allein in den letzten 30 Jahren ist der Bestand in der Schweiz um fast die Hälfte geschrumpft. Im Mittelland ist der Rückgang an vielen Orten noch katastrophaler: im Kanton Zürich betrug er beispielsweise über 90% (1977: 2900 Reviere; 2017: 235 Reviere. Quelle: Avimonitoring Kanton Zürich). Ohne Schutzprojekte von BirdLife und Partnern wäre der Einbruch wohl noch grösser ausgefallen. Aufgrund dieser dramatischen Entwicklungen steht der einstige Allerweltsvogel nun erstmals auf der bald erscheinenden Roten Liste der Brutvögel der Schweiz (Kategorie "verletzlich").
Falsche Anreize in der Agrarpolitik
Zwar gibt es einzelne Projekte in der Schweiz von BirdLife Schweiz und Partnern, in denen durch grosse Anstrengungen kleinflächige Erfolge beim Schutz der Feldlerche erreicht werden. Auf grosser Fläche reichen diese Massnahmen jedoch nicht, um die dramatischen Einbrüche der Bestände zu stoppen und den negativen Trend umzukehren. Die Agrarpolitik muss sich insgesamt ändern, damit diejenigen Landwirte besser unterstützt werden, die mit statt gegen die Natur wirtschaften. «Nur durch die richtigen Anreize einer ökologisch ausgerichteten Agrarpolitik lassen sich die Feldlerche und viele weitere einstmals häufige Arten unserer Kulturlandschaft langfristig erhalten», sagt Raffael Ayé, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz. Wenn wir weiterhin die Böden überdüngen und ihnen zu wenig Möglichkeit der Regeneration geben, wird nicht nur die Feldlerche nicht überleben, sondern auch die Lebensmittelproduktion irgendwann einbrechen.
«Für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion braucht es ein gesundes Ökosystem mit Brachen, auf denen sich die Böden und die Biodiversität erholen können, und mit Wiesen, die nicht mit unzähligen Tonnen an Futtermitteln aus dem Ausland in Form von Gülle überdüngt werden», so Raffael Ayé. Nur so gelingt eine nachhaltige Landwirtschaft, und nur so können wir langfristig das Überleben der Meistersängerin Feldlerche sicherstellen.
Film über die Feldlerche
Ein neuer Kurzfilm von BirdLife Schweiz porträtiert den Vogel des Jahres 2022 und zeigt auf, was sich in der Agrarlandschaft ändern muss. Er ist unter www.birdlife.ch/feldlerche zu finden. Unter derselben Adresse gibt es auch ein Porträt zu lesen, und es kann ein attraktives Poster im Format A3 bestellt werden.
Informationen und Film: www.birdlife.ch/feldlerche
BirdLife Schweiz: gemeinsam für die Biodiversität – lokal bis weltweitBirdLife Schweiz engagiert sich mit Herzblut für die Natur. Mit 67'000 Mitgliedern, 450 lokalen Sektionen, Kantonalverbänden und weltweiten BirdLife-Partnern ist BirdLife Schweiz Teil des weltweit grössten Naturschutz-Netzwerks, BirdLife International – in der Gemeinde verwurzelt, weltweit wirksam. Gemeinsam mit unseren Mitgliedern setzen wir uns für die Biodiversität ein. Wir führen zahlreiche Schutzprojekte für gefährdete Arten und ihre Lebensräume durch, vom Steinkauz über den Eisvogel bis zur Ökologischen Infrastruktur. Mit den BirdLife-Naturzentren, der Zeitschrift Ornis und vielfältigen BirdLife-Kursen machen wir die Natur hautnah erlebbar und motivieren zu ihrem Schutz. Gemeinsam mit Ihnen? Erfahren Sie mehr und werden Sie Teil des BirdLife-Netzwerks: www.birdlife.ch |
Bilder
Der Vogel des Jahres 2022 ist ein Meistersänger. Er trägt sein Lied im Singflug hoch über den Wiesen und Feldern vor. Foto: Beat Rüegger Das Bild darf nur im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden. |
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Seit einigen Jahrzehnten ist die Feldlerche durch die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft stark bedroht. Foto: iStock Das Bild darf nur im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden. |
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Die Feldlerche, ein einstiger Allerweltsvogel des Kulturlands, steht nun auf der bald erscheinenden Roten Liste der Brutvögel der Schweiz. Foto: Vincent Legrand Das Bild darf nur im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden. |
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Die Feldlerche hat die kürzeste Nestlingszeit unter den hiesigen Singvögeln. Dennoch werden viele Nester vom Traktor überfahren. Foto: Shutterstock Das Bild darf nur im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden. |
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In Andelfingen läuft ein Feldlerchen-Schutzprojekt. Doch solche lokalen Projekte sind nur ein Tropfen auf den heissen Stein – nötig ist die Anpassung der Agrarpolitik. Foto: BirdLife Schweiz Das Bild darf nur im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden. |
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Brachen sind nur eine von mehreren Massnahmen, die es braucht, um der Feldlerche und der Biodiversität generell zu helfen. Foto: Agrofutura Das Bild darf nur im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung und unter korrekter Angabe des Fotografen verwendet werden. |
Filmmaterial für Online und TV
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Auskünfte
Martin Schuck, Abteilungsleiter Artenförderung, Tel. 044 457 70 29, M 076 609 23 12, martin.schuck@birdlife.ch