Position von BirdLife Schweiz – Februar 2022
Die Ökosysteme in der Schweiz und weltweit sind zu einem grossen Teil beeinträchtigt. Wertvolle Lebensräume werden nach wie vor zerstört. Sogar die Kronjuwelen der Natur, die Biotope von nationaler Bedeutung, verlieren aufgrund von Stickstoffimmissionen und weiteren Faktoren jährlich an Wert. Die Roten Listen sind länger denn je.
Die Herausforderungen hinsichtlich der Erhaltung der Biodiversität scheinen manchmal schier erdrückend. Doch der Naturschutz ist weiterhin ein ausgesprochenes Nischenthema. So ist weniger als ein Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung Mitglied in einer BirdLife-Organisation. Wenn die anderen Natur- und Umweltorganisationen dazu gezählt werden, sind es immerhin ein paar Prozent. Naturschützende sind angesichts der Biodiversitätskrise eine kleine, beinahe ohnmächtige Minderheit.
Derzeit schlägt der Film «Don't look up» auf Netflix und in den Kinos Rekorde. Der Plot: Ein grosser Komet rast auf die Erde zu. Aber die fiktive Präsidentin der USA hat keinen Bock auf negative Nachrichten. Sie prägt lieber den Slogan «Don't look up», schaut nicht (zum Kometen) hoch. Angesichts der gewaltigen und bedrohlichen Biodiversitätskrise fühlen sich Naturschützerinnen und Naturschützer wie Kate Dibiasky und Randall Mindy angesichts des todbringenden Kometen, den niemand sehen will.
Klima- und Naturschützende, Ökologinnen und Naturschutzbiologen kennen dieses Ohnmachtsgefühl schon lange. Epidemiologinnen und Epidemiologen haben es im Verlauf der Corona-Pandemie eher unerwartet, aber umso deutlicher kennengelernt. Unsere Gesellschaft ist tief in Routinen verhaftet. Das politische System ist träge. Unangenehme Neuigkeiten werden so unglaublich erfolgreich verdrängt, dass es zutiefst verstörend ist. Vielleicht werden viele Familien in der Schweiz einen hohen Preis für unsere politische und gesellschaftliche Trägheit bezahlen, während Sie dieses Ornis in den Händen halten. Das ist traurig.
Es ist nicht Aufgabe von BirdLife Schweiz, die Gesundheitspolitik im Detail zu beurteilen. Einen wichtigen Grundsatz jedoch gilt es in der Epidemiologie, der Klimatologie und der Naturschutzbiologie hochzuhalten: die wissenschaftliche Basis für unsere Entscheidungen. Bei BirdLife ist die wissenschaftliche Evidenz seit 100 Jahren die Grundlage für Entscheidungen und Handeln. Beim jüngeren Publikum und in den sozialen Medien heisst das Prinzip neudeutsch #listentothescience.
Wenn Politik und Gesellschaft angesichts von Krisen wie Biodiversitätsschwund, Klimawandel und Pandemie die Augen verschliessen und unbequeme Lösungen auf später verschieben, kann das sehr teuer werden. Und doch ist es genau das, wozu unser aktuelles System tendiert. Hier gilt es, in den nächsten Monaten rasch die Lehren aus den gemachten, voraussichtlich schmerzhaften, Erfahrungen zu ziehen.