Die Entwicklung des Waldes in der Schweiz
Nach dem Rückzug der Eismassen der letzten Eiszeit bildeten sich vor etwa 10'000 Jahren Föhrenwälder mit Birken. Mit zunehmender Erwärmung wurden sie durch Laubmischwälder abgelöst, gefolgt von Eichenwäldern. Vor etwa 5000 Jahren kamen vermehrt auch Nadelbäume auf, der Buchen-Tannenwald breitete sich aus. Zu diesem Zeitpunkt legten die Bauern der Jungsteinzeit die ersten, kleinen Rodungsflächen an. Bis ins 16. Jahrhundert wurde die Waldfläche im Mittelland auf einen Viertel der ursprünglichen Fläche zurückgedrängt. In Dorfnähe trieb man das Vieh in die öffentlichen Wälder und sammelte Laub. Die Schweinemast im Herbst mit Eicheln war ebenso Bestandteil der Waldnutzung wie das Schneiteln von Bäumen oder das Harzen. Lichte Mittelwälder mit grossen Eichen als Überhälter und Hagebuchen zur Brennholznutzung oder Niederwälder zur reinen Brennholznutzung waren verbreitet. Im Umfeld von Bergbau oder Glashütten wurden Wälder ganz abgeholzt. In den Alpen verstärkte man die Alpwirtschaft und drückte damit die Waldgrenze um rund 200-300 Meter hinunter. Zwischen den Hochwäldern und den Äckern dehnte sich um die Dörfer ein breiter Streifen von parkartigem Wald und mit Büschen durchzogenen Wiesen aus. Bereits im Mittelalter kannte man Regelungen zur Waldnutzung wie die Bannwälder oder die Weisungen zur Waldweide. Doch erst im 19. Jahrhundert begann sich eine Forstwirtschaft mit einem nachhaltigeren Waldbau durchzusetzen, welche im ersten eidgenössischen Forstgesetz von 1876 gipfelte.
Die Einführung der Kohle und der Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts verminderte den Energiebedarf aus dem Wald stark. Nieder- und Mittelwälder wurden daher vermehrt in Hochwälder mit rasch wachsenden Fichten als zukünftiges Bauhholz übergeführt. 1902 wurde das bis 1991 gültige Waldgesetz erlassen, das die Nachhaltigkeit bezüglich Holzernte zum Prinzip erhob und die Waldfläche der Schweiz durch Ersatzpflicht bei Rodungen beispielhaft schützte, aber auch eine scharfe Grenzlinie Wald – Kulturland mit sich brachte. Die landwirtschaftlichen Nutzungen im Wald wurden mehrheitlich verboten. Im 20. Jahrhundert intensivierte sich die Nutzung im Kulturland in zunehmendem Masse. Feldgehölze und Hecken verschwanden, Wiesen wurden intensiviert. Die ehemals breite Übergangszone zwischen dem Hochwald und dem intensiver genutzten Kulturland schrumpfte zu einer Waldrandlinie zusammen. Durch Entwässerungen und Kanalisationen wurden die meisten Auenwälder zerstört. Im Wald stieg der Holzvorrat im 20. Jh. von rund 100-150m3 pro Hektare auf 360m3 pro Hektare. Der Wald wurde dadurch zunehmend dunkler. 79% aller Wälder sind heute Hochwälder und ziemlich gleichförmig aufgebaut.
Vor allem ab 1800 Metern wurde die landwirtschaftliche Nutzung in den letzten beiden Jahrzehnten vermehrt aufgegeben, was zu einer Vergrösserung der Waldfläche führte. Im Mittelland gewannen die Wälder wegen der starken Verbauung und Intensivierung des Kulturlandes für die Erholung an Bedeutung. Mit dem naturnahen Waldbau wurde durch den ETH-Professor Hans Leibundgut zwischen 1940 und 1979 ein Waldbauprinzip gelehrt, welches nicht nur die Holznutzung propagiert sondern die verschiedenen Waldfunktionen gleichwertiger berücksichtigt, was sich 1991 auch im neuen Waldgesetz niederschlug. Eine neue Herausforderung für den Wald wird der Klimawandel sein mit höheren Temperaturen, längeren Trockenzeiten im Sommer und starken Stürmen.
Die Funktionen des Waldes
Der Wald war und ist in erster Linie Lebensraum für eine grosse Anzahl an Tier- und Pflanzenarten, Pilzen, Moosen und Flechten. Mit der Zeit wurde er durch den Menschen als Nahrungsmittel-, Energie- und Bauholzlieferanten genutzt. Er bietet Schutz vor Naturgefahren, stellt Trinkwasser bereit, reinigt die Luft und gewinnt zunehmend an Bedeutung für die Erholung.
Schutzwald
Rund 50% der Waldfläche in den Alpen ist als Schutzwald deklariert. Fast drei Viertel der Schutzwälder liegen oberhalb von 1000 Metern. Im Mittelland sind es nur knapp 6%. Der Wald schützt Siedlungen und Infrastruktur vor Lawinenanrissen, Murgängen, Rutschungen, Steinschlägen und Hochwassern. Er hält auch Wind ab und dämpft Lärm.
Holzproduktion
Der Wald liefert Bau- und Energieholz sowie Industrieholz für Zellstoff- und Papierprodukte. Trotz grossem Holzreichtum kommen von den 10.5 Mio. m3 jährlich verwertetem Holz nur rund 7 Mio. m3 aus Schweizer Wäldern, der Rest wird importiert. Im Mittelland wird die doppelte bis dreifache Menge Holz genutzt wie in den Alpen. Drei Viertel des genutzten Holzes sind Nadelhölzer, rund ein Viertel sind Laubhölzer.
Biodiversität
Der Schweizer Wald wird von über 30'000 Lebewesen besiedelt. Obwohl er nur rund einen Drittel der Fläche der Schweiz bedeckt, leben rund 40% aller Lebewesen im Wald. Die artenreichsten Waldtypen sind Auen- und Eichenwälder, welche aber nur noch wenige Prozent aller Wälder ausmachen. Lichtliebende Arten sowie Arten, welche auf Totholz angewiesen sind gingen in den letzten Jahrzehnten ebenfalls stark zurück. Auf Grund des naturnahen Waldbaus gibt es aber im Schweizer Wald weniger stark gefährdete Arten, als z.B. im Kulturland.
Wohlfahrtsleistungen
Regenwasser wird durch die Versickerung im Waldboden gereinigt, sodass es als Trinkwasser genutzt werden kann. Die Bäume produzieren Sauerstoff und entnehmen der Luft Staub. Viele Leute erholen sich ein- bis mehrmals wöchentlich im Wald.