OECD: Schweiz muss die Biodiversität besser schützen

Medienmitteilung von BirdLife Schweiz vom 27.11.2017

Die Schweiz muss deutlich mehr tun, um ihre Biodiversität zu sichern und wiederherzustellen. Das sagt nicht irgendeine Naturschutzorganisation, sondern die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Alle zehn Jahre prüft sie den Umgang ihrer 34 Mitgliedstaaten mit der Umwelt. Der heute veröffentlichte Umweltprüfbericht 2017 zeigt klar, dass der vom Bundesrat im September beschlossene Aktionsplan Biodiversität nur ein kleiner, erster Schritt in die richtige Richtung ist. BirdLife Schweiz verlangt, dass die Schweiz nun endlich deutlich mehr tut für ihre Biodiversität. Letztere ist unsere Lebensgrundlage und erbringt lebensnotwendige Ökosystemleistungen.

Schweiz hat grossen Nachhholbedarf

Der OECD-Umweltprüfbericht, der heute veröffentlicht wurde, lobt zwar die Schweiz in einigen Bereichen. Doch beim Thema Biodiversität zeigt der Bericht schonungslos auf, was alles schief läuft: Die Schweiz hat einen der höchsten Anteile an gefährdeten Arten und Lebensräume aller OECD-Länder. Das Land, das sich fälschlicherweise immer noch als Musterknabe im Naturschutz sieht, hat zudem europaweit einen der kleinsten Anteile an Schutzgebieten. Die bestehenden Schutzgebiete sind zu klein, zu isoliert und nicht ausreichend unterhalten. Die Schweiz habe nicht einmal eine Kartierung der Lebensräume, moniert die OECD. Die Ökosystemleistungen spielen praktisch keine Rolle.

Unverständnis zeigt die OECD dafür, dass die Schweiz es in den letzten 103 Jahren nicht geschafft hat, weitere Nationalpärke zu schaffen. Besonders deutlich wird die OECD, wenn es in der reichen Schweiz ums Geld geht: Die aktuellen finanziellen Mittel bleiben ungenügend, um den dringenden Schutz und die Wiederherstellung von wichtigen Lebensräumen angehen zu können. Aus Sicht der OECD wird im Alpen- und Tourismusland Schweiz auch zu wenig im Bereich Tourismus und Biodiversität getan. Andere Länder würden mehr in störungsfreie Gebiete und in funktionierende Wildtierkorridore investieren.

Aktionsplan wird den Anforderungen der OECD nicht gerecht

An der heutigen Medienkonferenz nahm BAFU-Direktor Marc Chardonnens die Kritik vom stellvertretenden Generaldirektor der OECD, Masamichi Kono, entgegen, betonte aber, dass die Schweiz mittlerweile den Aktionsplan Biodiversität beschlossen habe. Der Vergleich der Anforderungen der OECD mit dem Aktionsplan des Bundesrates ist aber ernüchternd: Die OECD verlangt  spezifische Massnahmen, die den grossen Defiziten der Biodiversität gerecht werden. Nötig sind quantitative Ziele, klare Indikatoren, Verantwortlichkeiten und finanzielle Mittel. Der bundesrätliche Aktionsplan enthält praktisch nichts von all dem.

Klare Empfehlungen der OECD

Werner Müller, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz, betont: «Wenn die Schweiz zwar eine grosse biologische Vielfalt aufweist, diese aber stärker bedroht ist als in anderen Industrieländern, dann muss das Land deutlich mehr tun als bisher.» Die OECD-Experten zeigen denn auch, dass die Flächen zum Schutz der Biodiversität in der Schweiz deutlich vergrössert werden müssen. Verlangt auf internationaler Ebene sind mindestens 17 Prozent. Unser Land weist sehr grosszügig gerechnet 12 Prozent aus. Auch der Unterhalt der Gebiete muss stark verbessert werden. Dazu sind bedeutend mehr finanzielle Mittel nötig.

Das Smaragd-Netzwerk gemäss der Berner Konvention muss erweitert und mit dem europaweiten Natura-2000-Netzwerk koordiniert werden. «Auch bei der Artenförderung müssen die heute ungenügenden Massnahmen rasch verstärkt werden. Aktionspläne für die am meisten bedrohten Arten sind umzusetzen», betont Werner Müller.

BirdLife Schweiz, der sich seit Jahren für die Biodiversität und einen wirksamen Aktionsplan einsetzt, begrüsst die klaren Worte der OECD zum ungenügenden Schutz der Biodiversität in der Schweiz. «Auch wenn im Aktionsplan des Bundesrates zu wenige und viel zu allgemeine Massnahmen genannt sind, müssen diese als erster Schritt nun sofort und mit genügend Mitteln umgesetzt werden», sagt Werner Müller. In einem zweiten Schritt muss sich die Schweiz einen neuen Aktionsplan geben, der den Gefährdungen der Schweizer Biodiversität gerecht wird und der die Rügen der OECD aufnimmt. Die Messlatte dafür besteht mit dem bereits veröffentlichten «Aktionsplan Biodiversität aus Sicht der Zivilgesellschaft», der von über vierzig Fachinstituten und Universitäten, Städten und Verbänden der Land- und Forstwirtschaft, der Jagd und Fischerei und des Naturschutzes unterstützt wird.
 


Links

Bericht der OECD: http://www.oecd-ilibrary.org/environment/oecd-environmental-performance-reviews-switzerland-2017_9789264279674-en

Aktionsplan Biodiversität aus Sicht der Zivilgesellschaft: www.birdlife.ch/aktionsplan


Auskunft

Werner Müller, Geschäftsführer BirdLife Schweiz, 079 448 80 36