Medienmitteilung von BirdLife Schweiz, Pro Natura Bern und Stiftung Landschaftsschutz SL vom Montag, 5.3.2018, 14.00
Der Kanton Bern soll das Urteil des Verwaltungsgerichts akzeptieren und abklären, ob ein weiterer Betrieb des Campings Fanel am Neuenburgersee mit dem geltenden Recht vereinbar ist. Das fordern die Umweltorganisationen BirdLife Schweiz, Pro Natura Bern und Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Sie können den Unmut der Camper verstehen und erwarten, dass der Regierungsrat keine weiteren Tricks anwendet, welche die von den Campern verlangte Klarheit über die Zukunft des Campingbetriebs nur weiter verzögern würden.
Heute übergibt eine Gruppe von Campern des Campingplatzes Fanel der Staatskanzlei eine Petition. Angesprochen sind auch die Umweltorganisationen. BirdLife Schweiz, Pro Natura Bern und die Stiftung Landschaftsschutz spielen jedoch momentan gar keine Rolle bei der Frage, ob der Campingplatz in der Gemeinde Gampelen weiterbetrieben werden kann oder nicht. Der Ball liegt einzig beim Regierungsrat des Kantons Bern, der nach dem klaren Verwaltungsgerichtsurteil vom letzten Dezember nun endlich abklären muss, ob der Betrieb des Campingplatzes mit dem geltenden Recht (Naturschutz- und Heimatschutz, Wald, Raumplanung etc.) vereinbar ist.
Die Umweltorganisationen weisen denn auch die Aussagen von Regierungsrat Christoph Neuhaus im „Blick“ vom vergangenen Samstag klar von sich, dass «die Umweltorganisationen unversöhnlich und nicht gesprächsbereit» seien. Ebenso die am gleichen Tag auf TeleBärn erfolgte Erklärung, dass «die Umweltorganisationen auf Kollision gingen». Die Umweltorganisationen sind der Meinung, dass der Regierungsrat mit solchen Aussagen nur davon ablenken will, dass er seit 2003 mehrfach seine Arbeit nicht gemacht hat und mit seinem Trick zur Umgehung der Naturschutz-Gesetzgebung nur Zeit vergeudet hat.
Camping seit Jahrzehnten umstritten
Der Kanton Bern unterzeichnete 2003 für weitere 15 Jahre einen Vertrag mit dem TCS zum Weiterbetrieb des Campings Fanel1. Die Medienmitteilung vom 22. Dezember 2003 ist überschrieben mit «Der TCS-Campingplatz Gampelen kann bis Ende 2018 bleiben»i. Der Richtplan / RSSK Biel vom Dezember 2016 2 macht klar: «Die Bestrebungen der Region, die vom Kanton Bern per 2018 verfügte Aufhebung des TCS-Campingplatzes Fanel zu annullieren, stellen angesichts der grossen Bedeutung des Naturschutzgebietes Fanel eine Herausforderung dar.» Dass der Camping Fanel mit dem geltenden Recht nicht vereinbar ist, hat die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) am 17. April 2003 dem Amt für Gemeinden und Raumordnung in einem ausführlichen Gutachten3 auf zwanzig Seiten begründetii. Diese Tatsachen waren dem Regierungsrat demnach bekannt, bevor er den Vertrag von 2003 abschloss. Die Umweltorganisationen haben damals im Vertrauen darauf, dass das Problem des Campings Fanel Ende 2018 definitiv gelöst ist, auf die Einleitung verfahrensrechtlicher Schritte verzichtet und waren bereit, eine Übergangsfrist von weiteren 15 Jahren zu akzeptieren.
Ende 2018 laufen die Verträge aus
Die insgesamt 6 Verträge des Kantons mit dem TCS von 2003 laufen alle Ende 2018 aus und werden nicht stillschweigend erneuertiii. Zudem verpflichtete sich der TCS, die erstellten Bauten, Anlagen und Einrichtungen auf eigene Kosten zu entfernen. Rechtzeitig haben die Umweltorganisationen am 26. März 2014 die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern in einem fundiert begründeten Schreiben4 darauf hingewiesen, dass es gilt, umgehend die erforderlichen Schritte zur Wiederherstellung eines verfassungs- und gesetzeskonformen Zustandes einzuleiten.
Am 17. September 2015 wandten sich die Umweltorganisationen an das Amt für Grundstücke und Gebäude sowie an die Regierungsrätinnen und -räte Barbara Egger-Jenzer, Christoph Neuhaus und Andreas Rickenbacher mit dem ausführlich begründeten Rechtsbegehren5, es sei vom Kanton Bern kein neuer Vertrag abzuschliessen, der eine Nutzung des Campingplatzes über den 31. Dezember 2018 hinaus ermöglichen würde. Am gleichen Tag veröffentlichte der TCS zwei Parteigutachten mit dem Ziel, beweisen zu wollen, dass der Camping Fanel «der Natur nicht schade».
Regierungsrat versucht Trick und verliert Zeit
Der Kanton teilte die Einschätzung des Parteigutachtens des TCS und schlug die Fakten der eidgenössischen Fachleute (ENHK) und der Umweltorganisationen in den Wind. Am 26. August 2016 6 gab der Regierungsrat bekannt, dass der Campingplatz für weitere 35 Jahre am bisherigen Standort im Naturschutzgebiet bleiben könne. In seinem Beschluss vom 24. August 2016 7 ermächtigte er das Amt für Grundstücke und Gebäude, nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses die Verlängerung der Vereinbarungen zum Campingplatz abzuschliessen. Er unterliess es dabei, wie bereits 2003 bis 2015 abzuklären, ob der Betrieb des Campingplatzes mit den aktuellen Gesetzen (Naturschutz, Wald, Raumplanung etc.) vereinbar wäre.
Diese gravierende Unterlassung wollte der Regierungsrat durch einen Trick ermöglichen: Da sich die Grundstücke des Campingplatzes im Finanzvermögen (und nicht im Verwaltungsvermögen) des Kantons befänden, seien die relevanten Bestimmungen des eidgenössischen Natur- und Heimatschutzgesetzes nicht anwendbar. Diese unverständliche Meinung des Berner Regierungsrates rief auch den Bund auf den Plan, der über das BAFU Beschwerde einreichte. Denn mit diesem Trick könnten jede Gemeinde und jeder Kanton die Einhaltung der nationalen Gesetzgebung umgehen – sie müssten nur die entsprechenden Flächen dem Finanzvermögen zuordnen.
Spätestens nach dem Eingang der Beschwerden des BAFU und der Umweltorganisationen vom September 2016 musste dem Kanton klar sein, dass er mit seinem Trick keine Chance haben würde. Doch er zog seinen Beschluss nicht rechtzeitig zurück. Wertvolle Zeit verstrich. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hob am 8. Dezember 2017 den Regierungsratsbeschluss auf8. Damit sind bis zu einem neuen Beschluss keine Verträge zum Campingplatz möglich.
Die nächsten Schritte
Als nächsten Schritt muss der Kanton endlich abklären, ob der Camping Fanel überhaupt rechtmässig betrieben werden könnte. Würde er sich dabei auf das TCS-Parteigutachten oder auf die Petition der Camper abstützen, wäre das unseriös. Vielmehr braucht es jetzt fundierte, umfassende Abklärungen. Sollte der Kanton zum Schluss kommen, dass ein Campingbetrieb möglich ist, müsste er einen neuen Beschluss fassen, der erneut gerichtlich überprüft würde. Erst dann würden die Umweltorganisationen wieder ins Spiel kommen. Doch selbstverständlich sind sie immer gesprächsbereit.
1 Medienmitteilung des Regierungsrats vom 22. Dezember 2003
2 Richtplan / RGSK Biel-Seeland vom Dezember 2016 (Seite 61)
3 Gutachten der ENHK vom 17. April 2003 an das AGR zum Campingplatz Fanel, Gemeinde Gampelen, BE – Machbarkeitsstudie vom 2. Mai 2003
4 Schreiben der Umweltorganisationen vom 26. März 2014 an die JGK
5 Rechtsbegehren der Umweltorganisationen an verschiedene Stellen im Kanton vom 17. September 2015
6 Medienmitteilung des Regierungsrates vom 26. August 2016
7 Regierungsratsbeschluss vom 24. August 2016
8 Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 8. Dezember 2017
Dokumentation
Die Dokumente sind mit den Links in den Fussnoten (oben) direkt erreichbar.
Das folgende Abschnitte stammen aus diesen Dokumenten:
i Aus der Medienmitteilung des Regierungsrates vom 22.12.2003:
«Mit der Anpassung der Verträge kann der TCS-Campingplatz nun für die nächsten 15 Jahre bis Ende 2018 bestehen bleiben. In den Verträgen wurden die Vertragsparteien verpflichtet, dass sie vier Jahre vor Ablauf zusammen mit der Gemeinde in Verhandlungen treten und gemeinsam nach neuen Lösungen suchen. Parallel dazu haben sich die Standortgemeinde Gampelen und der TCS bereit erklärt, zusammen mit dem Kanton Alternativstandorte zu evaluieren, welche ab 2018 oder vorher als Ersatzstandort für den heutigen Campingplatz im Gebiet Fanel dienen könnten.»
ii Gutachten der ENHK vom 17. April 2003 an das AGR zum Campingplatz Fanel, Gemeinde Gampelen, BE – Machbarkeitsstudie vom 2. Mai 2003, Zusammenfassung 2. Abschnitt:
«Die ENHK kommt zum Schluss, dass der bestehende Campingplatz eine schwerwiegende Beeinträchtigung der betroffenen Schutzgebiete von nationaler Bedeutung darstellt. Die Weiterführung des Betriebes ist damit nicht mit den Schutzbestimmungen des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz zu vereinbaren. Die Kommission fordert deshalb, dass der Campingplatz sowie sämtliche Nebenanlagen wie z.B. der Bootshafen innerhalb der Schutzobjekte aufgehoben werden und das gesamte Gebiet wieder in den ursprünglichen, naturnahen Zustand zurückgeführt wird.»
iii Verträge zwischen dem Kanton und dem TCS vom 19.12.2003, Ziff. 3:
«Das Mietverhältnis endet ohne Kündigung mit Ablauf dieser Dauer (Art. 266a, Abs. 1 OR). Nach Ablauf der vereinbarten Mietdauer wird die Mietsache wieder der ursprünglichen Nutzung (Wald im Sinne der Forstgesetzgebung) zugeführt. Eine stillschweigende Fortsetzung des Mietverhältnisses mit Wirkung ab dem 1. Januar 2019 im Sinne von Art. 266 OR ist somit ausgeschlossen.»
Auskunft
- Werner Müller, BirdLife Schweiz, werner.mueller@birdlife.ch, 079 448 80 36
- Verena Wagner, Pro Natura Bern, verena.wagner@natuerlichnatur.ch, 079 622 50 79